Achtsamkeitsmeditation zur Stressreduktion

Achtsamkeitsmeditation – Der neue Trend zur Stressbewältigung

Die Achtsamkeitsmeditation gewinnt immer mehr an Bedeutung in unserer gestressten Welt. Das Klischee vom weltfremden Esoteriker, der tagein tagaus in von Räucherstäbchen vernebelter Luft auf seinem Meditationskissen sitzt und sich in eine ferne Welt meditiert, ist längst überholt.

Die Meditation im Allgemeinen – und die Achtsamkeitsmeditation im Speziellen – haben längst Einzug gefunden in die Wohnzimmer stressgeplagter Großstädter, die Büros der gehetzten Manager und auch in die Universitäten, die sich den Vorzügen der Achtsamkeitsmeditation wissenschaftlich nähern.

Es ist also Zeit, dass auch wir uns diesem Thema einmal näher widmen. Wir freuen uns daher, den MBSR-Lehrer und natürlich selbst Achtsamkeitsmeditation praktizierenden Jacomo Fritzsche für einen Artikel zur Achtsamkeitsmeditation gewinnen zu können.

Achtsamkeits-Experte Jacomo Fritzsche

Jacomo FritzscheJacomo Fritzsche ist Lehrer für Achtsamkeitsmeditation und erforscht mit dem Unternehmen „Berliner Zentrum für Achtsamkeit und Gesundheit“ (AGES Berlin) die Auswirkungen der Achtsamkeitsmeditation.

Jacomo stand uns auch für ein Interview zur Verfügung, in dem er uns seinen persönlichen Blick auf die Achtsamkeitsmeditation verriet. Hier geht’s direkt zum Interview mit Jacomo Fritzsche.

Was ist die Achtsamkeitsmeditation?

Achtsamkeitsmeditation ist eine Schulung des Geistes. Es bedeutet, sich bewusst dafür zu entscheiden, die eigene Erfahrung urteilsfrei wahrzunehmen, hier und jetzt.

Was ist die MBSR?

MBSR bedeutet Mindfulness-Based Stress Reduction. Es ist eine Methode, die 1979 von Prof. Jon Kabat-Zinn an der Universität von Massachusetts entwickelt wurde. In den letzten 30 Jahren wurde dieses 8-Wochen-Programm auf sehr hohem Niveau wissenschaftlich erforscht und es wurden eine Vielzahl von positiven Veränderungen auf die physische und psychische Gesundheit signifikant nachgewiesen.

Was ist der Ursprung der Achtsamkeitsmeditation?

Der Ursprung der Achtsamkeitsmeditation liegt in der buddhistischen Tradition. Hierbei ist zu bemerken, dass der Buddhismus sich selbst einmal als eine Religion versteht, aber auch zum anderen als eine reine Wissenschaft des Geistes.

Über 2500 Jahre wurde hier exakte und empirische Forschung betrieben, die die verschiedenen Geisteszustände und Wirkmechanismen als Forschungsobjekt im Fokus hatte. Was das MBSR auszeichnet, ist die Brücke die es schlägt: zwischen der jahrtausendalten kontemplativen Tradition des Buddhismus und der modernen Wissenschaft.

Was bedeutet Achtsamkeit?

Achtsamkeit bedeutet nicht mehr und nicht weniger als vollkommen präsent im Hier und Jetzt zu sein.

Während du diese Zeilen liest, gehen Gedanken durch deinen Kopf, du hast vermutlich noch dazu Körperempfindungen und vielleicht auch das ein oder andere Gefühl. Wenn du anfängst, hier und jetzt, die verschiedenen Aspekte deiner Erfahrung bewusst wahrzunehmen, freundlich zu registrieren, ohne sie verändern oder anders haben zu wollen, dann bist du achtsam.

Diesen Geisteszustand kann man üben und trainieren. Es ist an sich einfach, denn es geht „nur“ darum, wahrzunehmen, was sowieso schon da ist. Aber wer es schon einmal versucht hat, wird schnell merken, dass es alles andere als leicht ist.

Probiere es am besten gleich einmal aus und nimm für ein paar Momente so urteilsfrei wie möglich wahr, wie die Luft durch deine Nase einströmt und wieder hinaus fließt.

Was ist das Ziel der Achtsamkeitsmeditation?

Das Ziel der Achtsamkeitsmeditation ist die Forschungsreise an sich. Wir fangen an, unsere eigene Erfahrung und die grundlegenden Zusammenhänge zu untersuchen und zu verstehen. Wenn wir aufhören zu suchen und anfangen urteilsfrei und bewusst die gegenwärtige Erfahrung zu betrachten, erlangen wir ohne irgendetwas zu tun, Einsicht in die tiefere Natur der Dinge.

Die moderne wissenschaftliche Forschung hat in einer Vielzahl von Studien belegt, dass genau diese besondere Art von Aufmerksamkeit einen enorm positiven Einfluss auf unsere Gesundheit hat.

Wir lernen besser mit Stress umzugehen, weil wir anfangen, die Dynamik und unseren eigenen Anteil darin zu verstehen. Es wurden u.a. eine dauerhafte Verminderung von körperlichen und psychischen Symptomen nachgewiesen, eine Stärkung des Selbstvertrauens und der Selbstakzeptant, mehr Heiterkeit und Lebensfreude und neben der erhöhten Fähigkeit sich zu entspannen, dient die Achtsamkeitsmeditation auch wunderbar als eine Burnout-Prophylaxe.

Wie lauten die die grundlegenden Ansätze der Achtsamkeitsmeditation?

Die Achtsamkeitsmeditation ist eine Schulung der Aufmerksamkeit und basiert auf einer Bandbreite von positiven Geisteszuständen. Wesentlich ist das Nicht-Bewerten – aber auch die Freundlichkeit, die Offenheit, das Vertrauen und die Kompetenz loslassen zu können, spielen eine Rolle.

Welche Übungsformen der Achtsamkeitsmeditation gibt es?

Im MBSR gibt es

  • den Bodyscan,
  • die achtsame Bewegungen im Liegen und Stehen,
  • die Sitzmeditation,
  • die Gehmeditation und
  • die Mettameditation.

Die Praxis variiert zwischen Sitzen, Gehen und Liegen. Es gibt hier immer die Empfehlung, welche Position für welche Übung am besten geeignet ist, am Ende jedoch entscheidet jeder für sich, was für ihn gerade passend ist.

Durch die kulturell bedingten Gewohnheiten bezüglich unser physiologischen Abläufe, bietet es sich für uns aus der westlichen Hemisphäre auch an, einfach auf dem Stuhl zu meditieren. Man braucht also nicht sich die Beine zu verknoten und in einer Höhle zu sitzen. Wer darauf Lust hat, kann das aber auch gerne machen…

Wie häufig und wie lange sollte man die Achtsamkeitsmeditation üben?

Es ist zu empfehlen, jeden Tag zu üben. Wenn wir anfangen, uns unserer eigenen Erfahrung täglich eine halbe Stunde freundlich und urteilsfrei zuzuwenden, kann das einen starken positiven Effekt auf unsere Lebensqualität haben.

Wichtig ist jedoch die Regelmäßigkeit, also lieber jeden Tag 10 Minuten zu üben als die ganze Woche gar nicht und dann 2 Stunden auf einmal. Es ist zu vergleichen mit dem Trainieren der Muskeln im Fitnessstudio: Regelmäßigkeit lohnt sich auch hier. Wobei wir natürlich nicht primär unseren Körper trainieren, sondern unseren Geist.

Welche Möglichkeiten gibt es, im Alltag Achtsamkeit zu üben?

Der Transfer der Achtsamkeitspraxis in den Alltag ist fester Bestandteil jeden Kurses und wesentlich für den nachhaltigen Erfolg der Methode. Im Allgemeinen kann man sagen, Achtsamkeit ist vielmehr eine Lebenseinstellung als etwas, was man „tut“.

Wenn wir gelernt haben, formell auf dem Meditationskissen unseren Geist urteilsfrei auf die gegenwärtige Erfahrung zu richten, so wird es uns möglich sein, die gleiche Intention zum Beispiel auch beim Zähneputzen, Müllraustragen und auf dem Weg zur Arbeit im Bus zu kultivieren.

Wie kann man Achtsamkeitsmeditation lernen?

Am besten empfiehlt es sich die Achtsamkeitsmeditation im Rahmen eines Grundkurses oder MBSR-8-Wochen-Kurses zu lernen. Es ist besonders am Anfang wichtig, einen Lehrer zu haben, der einem bei den ersten Schritten begleitet.

Außerdem erleichtert die Gruppe im Allgemeinen den Einstieg sehr, sodass der Grundstein dafür gelegt wird, nach dem Kurs die Praxis zuhause selbstständig fortzuführen.

Was passiert im Körper, wenn wir Achtsamkeitsmeditation üben? Was sagen wissenschaftliche Studien über die Achtsamkeitsmeditation?

Besonders in den letzten Jahren ist die Publikationsrate zum Thema Achtsamkeit enorm in die Höhe geschossen. Es wurden signifikant Verbesserung in verschiedenen Bereichen der physischen und psychischen Befindlichkeiten nachgewiesen.

So sinkt unter anderem das unmittelbare Empfinden von Stress, es erhöht sich die Fähigkeit mit negativen Gefühlen besser umzugehen, die Konzentration steigt sowie das allgemeine Wohlempfinden.

Zudem wirkt sich die Achtsamkeitsmeditation auf eine Vielzahl von körperlichen Faktoren positiv aus, wie zum Beispiel auf die Regulation des Blutdrucks.

Bei welchen Anwendungsgebieten wird die Achtsamkeitsmeditation heute noch eingesetzt?

Das wohl bekannteste Feld ist und bleibt die Stressbewältigung und mit ihr einhergehend, eine Vielzahl von verschiedenen Symptomatiken.

Aber es wurden auch erhebliche Verbesserungen durch die Achtsamkeitsmeditation bei Schmerzpatienten verschiedener Art festgestellt sowie bei der Rückfallprävention von depressiv erkrankten Menschen.

Für letzteres wurde von Prof. Mark Williams an der Oxford Universität das MBCT (mindfulness-based cognitive therapie) entwickelt, ein Programm, das sich auf den Grundlagen des MBSR an den besonderen Bedürfnisse von depressiv erkrankten Menschen orientiert.

Jacomo Fritzsche

Interview mit Jacomo Fritzsche

Wie bist du zur Achtsamkeitsmeditation gekommen?

Meine Mutter ist Heilpraktikerin und so war ich schon in meiner Kindheit früh mit ganzheitlichen Verfahren in Kontakt, die die Gesundheit fördern. Angefangen, mich intensiv mit Meditation zu beschäftigen, habe ich mit 16 Jahren, nach einer für mich beeindruckenden Begegnung mit einem Meditationslehrer, während eines Auslandsaufenthaltes in Neuseeland.

Als ich mit Anfang zwanzig in eine Lebenskrise gestürzt bin und zur gleichen Zeit das MBSR für ich entdeckt habe, hat sich meine Praxis fortan noch einmal erheblich intensiviert und ich habe angefangen, auch meinen beruflichen Weg darauf auszurichten.

Was bedeutet die Achtsamkeitsmeditation für dich persönlich?

Achtsamkeitsmeditation bedeutet für mich persönlich in mich hineinzuschauen und Forschung zu betreiben. Es bedeutet für mich Freude und Intensität in mein Leben zu bringen, indem ich mich immer wieder mit meiner Aufmerksamkeit meiner inneren Erfahrung zuwende, und alles was ich darüber weiß, loslasse.

Dadurch komme ich ganz unmittelbar mit mir selbst in Kontakt, was mich zufriedener und glücklicher macht. Außerdem ist meine Erfahrung, dass wenn ich mit mir selbst und der Gegenwart verbunden bin, sich meine Beziehungsfähigkeit zu meiner Familie, meinen Freunden und meinen Mitmenschen positiv verändert.

Inwiefern beschäftigst du dich beruflich mit der Achtsamkeitsmeditation?

Neben meiner Tätigkeit als MBSR-Lehrer bei yogafuerdich, an der Volkshochschule und an der Universität, arbeite ich für das „Berliner Zentrum für Achtsamkeit und Gesundheit“ (AGES Berlin) mit Sitz in Berlin-Mitte.

Das allgemeine Bestreben von uns ist es, die kontemplative Wissenschaft und die moderne „westlichen“ Wissenschaft einander etwas näher zu bringen, um somit die Qualitäten, den Erfahrungshorizont und die Vorteile beider Ansätze miteinander zu vereinen.

So arbeiten wir zur Zeit als Forschung- und Entwicklungspartner mit der Technischen Universität Berlin im Rahmen eines Forschungsprojekts zusammen, bei der wir untersuchen, inwiefern sich Achtsamkeitsmeditation auf nachhaltiges Konsumverhalten auswirkt.

Was sind die drei Dinge, die dir an der Achtsamkeitsmeditation am besten?

Freundlichkeit mir selbst gegenüber, Offenheit und Kraft.

Was sind die drei Dinge, die dich bei der Achtsamkeitsmeditation am meisten herausfordern?

Konzentration, Umgang mit negativen Emotionen und Geduld.

Hast du einen Tipp für Leute, die gern Achtsamkeitsmeditation üben möchten, aber nicht die Zeit oder Ruhe dazu finden?

Jeder bewusste Atemzug bedeutet etwas mehr Präsenz. Und wer hat keine Zeit zum Atmen?

Lieber Jacomo, wir danken dir für das Interview.

Wenn du Achtsamkeitsmeditation erlernen möchtest, können wir dir den von Jacomo Fritzsche angebotenen Achtwochen-Kurs“Stressbewältigung durch Achtsamkeit (MBSR) nach Jon Kabat-Zinn“ an der vhs Steglitz-Zehlendorf empfehlen. Die Anmeldung erfolgt unabhängig von Daytraining direkt in der vhs.

Bildnachweis: privat, ©Depositphotos_EpicStockMedia

Hinweis: Das Informationsangebot auf Daytraining.de rund um die Gesundheit dient ausschließlich der Information und ersetzt nicht eine persönliche Beratung, Untersuchung oder Diagnose durch einen approbierten Arzt. Die von uns zur Verfügung gestellten Inhalte können und dürfen nicht zur Erstellung eigenständiger Diagnosen und/oder einer Eigenmedikation verwendet werden. Beachten bitte auch den Haftungsausschluss.

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